„Silver Worker“

Die unterschätzte Power der Generation 50+

Unsere Gesellschaft wird immer älter, doch viele Unternehmen scheinen das zu ignorieren: Sie setzen auf junge Mitarbeitende, lassen die Generation 50+ bei Neueinstellungen außer Acht oder versäumen es, ihre älteren Team-Mitglieder weiterzuentwickeln. Dabei liegt hier enormes Potenzial, denn diese Generation ist in diesem Alter fit wie keine zuvor. Wie Arbeitgeber von sogenannten „Silver Workern“ profitieren können und sie zusätzlich stärken können? Wir geben Antworten.

Wer ist ein Silver Worker – und warum?

Der Begriff hat seinen Ursprung im Marketing: Dort ist oft von Silver Agern die Rede, wenn die grau- oder eben „silber“-haarige Zielgruppe „Ü50“ angesprochen werden soll. Doch auch die Begriffe Best Ager oder Golden Ager finden sich für diese Generation. Für Werbetreibende ist diese Gruppe immens wichtig: Sie hat oft eine hohe Kaufkraft und ist häufig bereit, relativ viel Geld in individuelle Produkte zu investieren. Ganz anders sieht es dagegen in die Arbeitswelt aus: Hier sind Silver Worker eher eine weniger berücksichtigte (und weniger beliebte) Gruppe – trotz „geburtenstarker Jahrgänge“ und zu Unrecht, wie sich später zeigen wird. 

Die Ausgangslage: Mitarbeitende Ü50 in Unternehmen

Der demografische Wandel zeigt sich auch in der Arbeitswelt: Im Jahr 1995 waren nur rund 20 Prozent der 60- bis 64-Jährigen erwerbstätig (Quelle: Süddeutsche Zeitung) – das hat sich bis heute stark geändert. Denn den Eintritt in die Frührente kann sich laut Bundesagentur für Arbeit kaum noch jemand leisten. Und in Zeiten des Fachkräftemangels sollte man meinen, dass auch Unternehmen es sich nicht leisten können, beispielsweise 55-Jährige vorzeitig in den Ruhestand zu verabschieden. 

Und doch: „Zwei von fünf Betrieben beschäftigen gar keinen Mitarbeiter mehr, der mehr als 50 Jahre auf dem Buckel hat“, ist bei der Bundesagentur für Arbeit zu lesen. Auch bei Neueinstellungen würden Kandidatinnen und Kandidaten jenseits der 50 häufig nicht bedacht – obwohl das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz klar vorschreibt, dass niemand aufgrund des Alters diskriminiert werden darf. Auch nicht im Recruitingprozess.

Aufstand der „älteren“ Frauen 

Dass erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Besetzung von offenen Stellen oder Beförderungen oft benachteiligt werden (obwohl es natürlich offiziell nicht erlaubt ist), ärgert viele – und es gibt sogar Initiativen, die offensiv dagegen angehen. So wie die Kampagne „Ohne mich würdet ihr alt aussehen!“ des Online-Magazins „Palais Fluxx“. Sie richtet sich gegen Altersdiskriminierung von Frauen 47+ im Beruf. Und auch wenn es sich komisch anfühlt, bei 47 bereits von „älteren Mitarbeiterinnen“ zu sprechen, haben die Initiatorinnen die Erfahrung gemacht, dass sie schon in diesem Alter diskriminiert werden – vor allem als Frauen. 

„Ältere Arbeitnehmerinnen werden als weniger flexibel, weniger technologieaffin oder weniger anpassungsfähig angesehen, was jedoch ein Mythos ist“, sagt Personalexpertin Prof. Dr. Anja Lüthy in einem Interview im Rahmen der Kampagne. Warum das besonders Frauen trifft? Sie haben häufiger Karrierepausen eingelegt, um Care-Arbeit für die Familie zu leisten, arbeiten öfter in Teilzeit und bringen so in Summe oft eine (leicht) geringere Arbeitserfahrung mit. Nicht nur persönliche Erfahrungen, sondern auch offizielle Statistiken zeigen, dass die Diskriminierung real ist: „Nach Angaben des Statistischen Bundesamts erleben 14 Prozent der 45- bis 54-jährigen Frauen Diskriminierung am Arbeitsplatz“, schreibt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. „Das sind mehr als in jeder anderen Altersgruppe.“

Dabei sollten Unternehmen gerade jetzt diese Gruppe in den Fokus nehmen: „Das Einstellen älterer Frauen ist tatsächlich eine wertvolle Strategie zur Bewältigung des Fachkräftemangels, wenn spätestens 2035 ungefähr sieben Millionen Arbeitskräfte auf dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen werden“, sagt Anja Lüthy. „Zumal Frauen mit 47 Jahren noch 20 Jahre lang ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen können, bis sie das gesetzlich vorgeschriebene Rentenalter erreichen. Dieses Potenzial von Millionen von Frauen in Zeiten des Fachkräftemangels nicht auszuschöpfen, ist eigentlich fahrlässig.“

Warum Sie Silver Worker fördern sollten

Es geht nicht nur darum, dass Mitarbeitende nicht auf der Strecke bleiben oder Sie diese halten sollten, um irgendwie alle Jobs erledigt zu bekommen: Wenn Sie ältere Mitarbeitende fördern, hat das viele Vorteile. Prof. Anja Lüthy zählt im Rahmen der erwähnten Kampagne folgende auf: 

  • Neue Mitarbeitende brauchen oft viel Zeit und Ressourcen, um auf das gleiche Leistungsniveau der älteren Kolleginnen und Kollegen zu kommen. Das erhöht die Kosten für Onboarding und Schulungen – die Sie einsparen können, wenn Sie auf Mitarbeitende Ü50 setzen. 
  • Ältere Personen bringen einen großen Fundus an Wissen und Erfahrung mit. Nicht nur fachlich, sondern auch mit Blick auf vielfältige Projekte, an denen sie beteiligt waren. Sie kennen verschiedene Teams und Arbeitsweisen – all das sorgt für Vielfalt und für Perspektiven, die nur aufgrund von großer Erfahrung zustande kommen. 
  • Die Unternehmenskultur wird oft von Menschen geprägt, die schon lange im Unternehmen sind. Sie haben oft eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen und können als Mentorinnen oder Mentoren dienen. Verlassen sie das Unternehmen, kann sich das negativ auf die ganze Dynamik ihres bisherigen Teams auswirken. 

Wenn bei einem Arbeitgeber deutlich zu erkennen ist, dass ältere Mitarbeitende nicht gefördert oder womöglich zum Rückzug gedrängt werden, schadet das der Reputation. Denn ein solches Verhalten ist auch bei jüngeren Einsteigern nicht gern gesehen. 

Was passiert, wenn die Babyboomer in Rente gehen?

Wer die Situation des Fachkräfte- und allgemeinem Personalmangels jetzt schon für dramatisch hält, sollte sich auf schlechte Nachrichten gefasst machen: Denn es kommt noch schlimmer. Bald gehen die Babyboomer in Rente – und das reißt ein riesiges Loch in den Arbeitsmarkt. Diese Menschen, die in den geburtenstarken Jahren von 1955 bis 1969 geboren sind, stehen alle kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand. Laut Aussage der Bayerischen Industrie- und Handelskammerverlieren die Unternehmen etwa ein Drittel ihrer Beschäftigten, wenn die Babyboomer wegfallen. Die nachrückende Generation kann das nicht ausgleichen – weder von der Anzahl der Mitarbeitenden, noch von der Erfahrung her. 

Das wird dramatische Folgen haben, die wir alle spüren: Denn es sind auch Ärztinnen und Ärzte, die wegfallen. Es sind Speditionsfahrer, die Produkte transportieren, auf die wir dann länger warten. Es sind Mitarbeitende in der Gastronomie und im Einzelhandel, weshalb Öffnungszeiten eingeschränkt werden. Überall sind Babyboomer – also Silver Worker – im Einsatz. Zumindest noch. 

Studien zeigen: So produktiv sind Silver Worker 

Es geht in der ganzen Diskussion nicht nur darum, eine große Masse an Beschäftigten aufrecht zu erhalten oder Know-how zu sichern: Mitarbeitende ab 50 (und deutlich darüber hinaus) sind Studien und Untersuchungen zufolge auch produktive und wertvolle ArbeitskräfteSo untersuchte das Institut für Arbeitsmarktforschung IAB, wie Arbeitgeber auf diese Gruppe ihrer Beschäftigten blicken. Das Ergebnis: Mehr als 90 Prozent der Befragten äußerten sich positiv über neu eingestellte Mitarbeitende jenseits der 50. Diese seien motiviert, an einer längerfristigen Beschäftigung interessiert, sorgfältig, ins Team integriert und brächten ihre Erfahrungen ein. 

Das Max-Planck-Institut sah sich die Arbeitsleistung von jüngeren und älteren Mitarbeitenden in einem Lkw-Montagewerk und bei einem Finanzdienstleister genau an. In beiden Fällen fanden die Forschenden keine Hinweise darauf, dass die Produktivität bis zum Alter von 65 Jahren nachlässt – im Lkw-Montagewerk stieg sie sogar leicht an.
 

7 Tipps, wie Sie Silver Worker stärken 

Vermutlich (oder: hoffentlich) sind Sie spätestens jetzt davon überzeugt, dass Sie das Potenzial der Belegschaft Ü50 auf keinen Fall liegen lassen sollten. Diese Gruppe verdient es, gestärkt, weiterentwickelt und im Unternehmen gehalten zu werden. Wie Sie das schaffen? Hier gibt es sieben konkrete Tipps, die Sie sofort umsetzen können: 

  1. Wertschätzung: Dieser Punkt erfordert keine lange Planung und verursacht keine Kosten – doch er macht einen riesigen Unterschied. Bringen Sie Ihren älteren Mitarbeitenden echte Wertschätzung und Anerkennung entgegen. Fragen Sie sie nach ihrer Meinung und Erfahrung in bisherigen Projekten. Geben Sie ihnen die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten einzusetzen und ihr Wissen weiterzugeben. Das stärkt nicht nur das Selbstwertgefühl und die Arbeitszufriedenheit der Silver Worker – Sie werden auch überrascht sein, welchen Output es generiert. 
  2. Flexibilität: Unsere Arbeitswelt ist schnell getaktet und erfordert oft vollen Einsatz. Je nach Alter und individuellem Gesundheitszustand kann das eine Belastung für die älteren Mitarbeitenden sein. Bieten Sie ihnen möglichst viel Flexibilität, um einen Ausgleich zu all den Anforderungen zu schaffen. Auch ein Sabbatical kann hier eine gute Option sein. 
  3. Altersteilzeit: Das mag zunächst nach einem Widerspruch zu allem bisher Erwähnten klingen. Doch wenn ein Fulltime-Job für ältere Kolleginnen oder Kollegen tatsächlich zu fordernd wird, können Sie auf Altersteilzeitmodelle setzen. Das entlastet die Mitarbeitenden und bindet sie gleichzeitig ans Unternehmen – wenn es gut läuft, vielleicht sogar auf Minijobbasis über den Renteneintritt hinaus.
  4. Weiterentwicklung: In Zeiten von Digitalisierung und KI ist es selbstverständlich, dass junge Menschen, die mit diesen Technologien und Tools aufwachsen, einen Vorsprung gegenüber Silver Workern haben. Doch der lässt sich (zumindest teilweise) aufholen. Bieten Sie gezielt Schulungen an, um ältere Mitarbeitende abzuholen und weiterzubilden – vielleicht werden Sie überrascht sein, wie groß das Interesse und die bisher unentdeckten Fähigkeiten sind.
  5. Austausch: Fragen Sie, wie es Ihren Mitarbeitenden 50+ geht – und was sie brauchen. Haben sie in einigen Themenfeldern Weiterbildungsbedarf, besteht manchmal Überforderung oder fühlen sie sich im Gegenteil unterfordert und unterschätzt? Wer offen über solche Themen spricht, schafft Raum für Entwicklung ins Positive.  
  6. Gesundheitsförderung: Bei all den Vorteilen und Potenzialen – es kann vorkommen, dass ältere Mitarbeitende mehr gesundheitliche Probleme haben. Doch dem lässt sich vorbeugen bzw. entgegenwirken. Bieten Sie Gesundheitsprogramme an (die ohnehin der ganzen Belegschaft guttun), und setzen Sie hier – wenn möglich – auf spezielle Programme für verschiedene Altersgruppen. Es wird sich lohnen.
  7. Mentoringprogramme: Brechen Sie die Lager zwischen Jung und Alt auf, indem Sie gezielt für Vernetzung und Wissensaustausch sorgen. Mentoringprogramme können hier helfen – und zwar beiden Seiten. Jüngere Kolleginnen und Kollegen profitieren vom Wissen der Älteren, und beide können auch hier von der Vernetzung nur profitieren. „Reverse Mentoring“ bezeichnet eine Methode, bei der Erfahrene von Jüngeren lernen – darin steckt riesiges Potenzial. 


Was bei all dem – und ohnehin in fast jedem HR-Thema – eine Rolle spielt, ist die Unternehmenskultur. Fühlen sich bei Ihnen alle Mitarbeitenden gesehen und geschätzt? Gibt es Raum für Austausch und die Möglichkeit, auch mal außergewöhnliche Wege zu gehen? Wenn sich alle im Team wohlfühlen – und zwar unabhängig vom Alter – dann haben Sie schon viel gewonnen. Und stellen so idealerweise sicher, dass auch die Silver Worker noch einige Jahre gute Arbeit für Ihr Unternehmen leisten.

 

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